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Im Streitfall erwarb die Antragstellerin mit notariellem Vertrag vom 11.3.2024 („Signing“) sämtliche Anteile an einer grundbesitzenden GmbH. Die GmbH-Anteile wurden nach Kaufpreiszahlung am 29.3.2024 abgetreten („Closing“). Der Notar zeigte beim FA am 4.4.2024 nur den Kaufvertrag an. Aus den vertraglichen Regelungen ergab sich, dass das Closing zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt war.
Am 11.3.2024 (Abschluss des Kaufvertrags) war der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG („Anteilsvereinigung“) erfüllt. Am 29.3.2024 (Abtretung der GmbH-Anteile) wurde auch der Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG (Erwerb von mehr als 90 % der Anteile durch einen Neugesellschafter) erfüllt. Am 30.5.2024 setzte das FA zweimal Grunderwerbsteuer fest: zum einen nach § 1 Abs. 2b GrEStG gegenüber der GmbH und zum anderen nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG gegenüber der Antragstellerin.
In der Praxis ist das Auseinanderfallen von Signing und Closing nicht unüblich. In einem solchen Fall geht die Finanzverwaltung nach § 16 Abs. 4a, Abs. 5 S. 2 GrEStG wie folgt vor: In einem ersten Schritt setzt das FA zweimal Grunderwerbsteuer fest. In einem zweiten Schritt kann der Steuerpflichtige einen Antrag auf Aufhebung der Festsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG stellen. In einem dritten Schritt hebt das FA die Festsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG auf, aber nur unter der Voraussetzung, dass beide Erwerbsvorgänge fristgerecht und vollständig angezeigt wurden (§§ 18 bis 20 GrEStG). Fehlt eine dieser Anzeigen – so wie im Streitfall die Anzeige des Closings – oder ist sie unvollständig, bleibt es nach Ansicht des FA bei der doppelten Grunderwerbsteuer. Das FA begründet dies damit, dass der Tatbestand von § 1 Abs. 2b GrEStG gegenüber § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nur vorrangig sei, wenn beide Tatbestände gleichzeitig verwirklicht werden.
Der BFH äußert nun im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erhebliche Zweifel an der Vorgehensweise der Finanzverwaltung (Beschl. v. 9.7.2025 – II B 13/25). Nach dem Einleitungssatz in § 1 Abs. 3 GrEStG („soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt“) bestehe ein klares Vorrangverhältnis zwischen den Vorschriften. Eine zeitliche Beschränkung des Vorrangverhältnisses, wie es das FA annehme, könne der Regelung nicht entnommen werden.
Die Einfügung von § 16 Abs. 4a und 5 GrEStG durch das JStG 2022 habe den bestehenden Vorrang nicht beseitigt. Nach Ansicht des BFH handelt es sich nur um eine Korrekturvorschrift. Diese greife jedenfalls dann nicht, wenn dem FA – wie im Streitfall – der vollständige Sachverhalt im Zeitpunkt der erstmaligen Besteuerung bekannt gewesen sei.
Im Übrigen könne der Grunderwerbsteuerbescheid hinsichtlich der Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG) auch nach § 164 Abs. 2 AO aufgehoben werden. Denn der Bescheid stehe unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der BFH betont, dass § 16 GrEStG die Aufhebung des Bescheids nach anderen Korrekturvorschriften nicht ausschließt.
Hinweis für die Praxis: Das Signing-Closing-Thema ist in der Praxis sehr streitanfällig. Daher bietet es sich an, beide Vorgänge fristgerecht und vollständig beim FA anzuzeigen; die entsprechenden Vorschriften zu Inhalt und Form der Anzeige müssen dabei genau beachtet werden. Dann wird das FA auch anstandslos den Grunderwerbsteuerbescheid hinsichtlich der Anteilsvereinigung aufheben.