Steuern nach Brexit

Neben dem allesbeherrschenden Thema Corona gibt es derzeit tatsächlich auch noch andere steuerlich interessante Bereiche. Als Beispiel ist hier der Brexit zu nennen, dessen Folgen im Steuerrecht, insbesondere im Umsatzsteuerrecht, spürbar sind. Mit dem Ende der Übergangsphase unterliegen grenzüberschreitende Warenlieferungen und die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen ab dem 1.1.2021 nicht mehr dem europäischen Umsatzsteuerrecht. Freizügigkeit und Dienstleistungsfreiheit gehören der Vergangenheit an – innergemeinschaftliche Lieferungen gibt es nicht mehr. Welche umsatzsteuerlichen Auswirkungen hat der Brexit etwa auf die Dienstleistungen?

Wir stellen Ihnen die wichtigsten Punkte vor:

1. Besteuerung von Dienstleistungen
Mit Ablauf der Übergangsphase gibt es im Vereinigten Königreich (England, Schottland, Wales und Nordirland) keine Dienstleistungsfreiheit mehr. Umsatzsteuerrechtlich ist es als Drittlandsgebiet iSd § 1 Abs. 2a S. 3 UStG anzusehen. Dienstleistungen mit Großbritannien sind nach den für das
Drittlandsgebiet geltenden Vorschriften zu besteuern. Ausnahmen für Nordirland (wie z.B. beim Warenverkehr) gibt es hier nicht. Dienstleistungen sind dann in Deutschland nicht steuerbar (wie
bisher auch schon), sie müssen aber im Vereinigten Königreich nach den dortigen Regelungen versteuert werden.
a. Reverse-Charge-Verfahren (sog. B2B-Regel)
Wie bisher auch gilt das britische Reverse-Charge-Verfahren bei bestimmten Dienstleistungen (sog.B2B Leistungen). In diesem Fall muss der Leistungsempfänger (Kunde) und nicht der leistende
Unternehmer die Umsatzsteuer entrichten. Der leistende Unternehmer stellt dem Leistungsempfänger nur das Nettoentgelt in Rechnung. Der Kunde muss dann die entsprechende Umsatzsteuer ans Finanzamt abführen. Ist der Leistungsempfänger vorsteuerabzugsberechtigt, kann er den Betrag aber auch selbst wieder als Vorsteuer geltend machen. Das Reverse-Charge-Verfahren gilt im Übrigen nur bei Leistungen an Unternehmen, nicht aber an Privatpersonen. Beispiele für Leistungen eines deutschen Unternehmens an einen Kunden im Vereinigten Königreich, die dem Reverse-Charge-Verfahren unterliegen:
– Beratungsleistungen
– Marketingleistungen
– Elektronische Leistungen (z.B. Zurverfügungstellung von Software)

Wichtig! Bevor Ihr Unternehmen das Reverse-Charge-Verfahren anwendet, müssen Sie überprüfen, ob Ihr Kunde ein Unternehmen und keine Privatperson ist. So können sie z.B. bei der britischen
Finanzbehörde HMRC überprüfen, ob die Umsatzsteuernummer Ihres britischen Kunden gültig ist.
Wichtig! Auf Ihrer Rechnung muss ein Hinweis auf das Reverse-Charge-Verfahren enthalten sein sowie ein Hinweis auf den Übergang der Umsatzsteuerschuld.

b. Leistungen an Grundstücken und Gebäuden
Bei Leistungen an Grundstücken und Gebäuden gilt grundsätzlich, dass die Leistung dort erbracht wird, wo das Grundstück liegt. Das gilt unabhängig davon, wo Ihr Unternehmen oder Ihr Kunde ansässig ist. Liegt das Grundstück im Vereinigten Königreich, ist die grundstücksbezogene Leistung auch dort steuerbar. Ist der Geschäftskunde dort auch ansässig und besitzt er eine britische
Umsatzsteuernummer, ist das britische Reverse-Charge-Verfahren anwendbar. Das bedeutet, dass Ihr Unternehmen (sofern es nicht im Vereinigten Königreich ansässig ist) in der Regel keine umsatzsteuerrechtlichen Pflichten nach englischem Recht erfüllen muss. Schwieriger wird es bei allen anderen Kunden (Privatperson, nicht im Vereinigten Königreich ansässiger Geschäftskunde, im Vereinigten Königreich ansässiger Geschäftskunde ohne britische
Umsatzsteuernummer). Ihr Unternehmen muss sich dann in der Regel zur britischen Umsatzsteuer registrieren und mit britischer Umsatzsteuer abrechnen.

Wichtig! Für bestimmte Bauleistungen findet ab dem 1.3.2021 ein besonderes inländisches Reverse Charge-Verfahren statt. Bei Bedarf können wir nähere Einzelheiten dazu in einem persönlichen
Gespräch klären.

c. Regelung „Use and Enjoyment“ bei bestimmten Dienstleistungen
Die „Use and Enjoyment“ Regelung gilt ausschließlich für folgende Dienstleistungen:
– Vermietung von Waren (incl. Langzeitvermietung von Transportmitteln)
– elektronisch erbrachte Dienstleistungen (nur B2B)
– Telekommunikationsleistungen (nur B2B)
– Warenreparaturen im Rahmen eines Versicherungsanspruchs (nur B2B)
– Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen
Die Regelung greift nur dann, wenn der Ort der Leistung nicht mit dem Ort der tatsächlichen Nutzung übereinstimmt. Damit soll sichergestellt werden, dass die Besteuerung dort stattfindet, wo die
Dienstleistung genutzt oder ausgewertet wird. Sollte Ihr Unternehmen nach einer ersten Einschätzung solche Dienstleistungen erbringen, empfiehlt es sich, weitere Einzelheiten persönlich zu besprechen.

d. Leistungen im Zusammenhang mit einer öffentlich zugänglichen Veranstaltung
Die Organisation von Veranstaltungen unterfällt grundsätzlich dem Reverse-Charge-Verfahren. Verkauft Ihr Unternehmen aber z.B. nur Eintrittskarten für eine öffentlich zugängliche Veranstaltung
(Ausstellungen, Messen, Seminare u.ä.), ist die Leistung im Vereinigten Königreich steuerbar. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Eintrittskarten an Geschäftskunden oder an Privatpersonen verkauft werden. Was Ihr Unternehmen steuerlich beachten muss, hängt davon ab, ob sie die Eintrittsberechtigung an einen im Vereinigten Königreich ansässigen Unternehmer verkaufen, der zur britischen Umsatzsteuer registriert ist. Ist dies der Fall, findet das britische Reverse-Charge-Verfahren Anwendung. Damit bestehen für Sie in der Regel keine umsatzsteuerlichen Pflichten im Vereinigten Königreich. Bei allen anderen Kunden (Privatkunden, nicht im Vereinigten Königreich ansässige Geschäftskunden, im
Vereinigten Königreich ansässige Geschäftskunden ohne britische Umsatzsteuernummer) müssen Sie sich grundsätzlich zur britischen Umsatzsteuer registrieren und mit britischer Umsatzsteuer
abrechnen.

e. Restaurations- und Verpflegungsleistungen
Auch hier gilt, dass die Leistung im Vereinigten Königreich steuerbar ist, wenn sie dort erbracht wird. Das britische Reverse-Charge-Verfahren findet auch hier Anwendung, wenn der Geschäftskunde im Vereinigten Königreich ansässig und zur britischen Umsatzsteuer registriert ist. In allen anderen Fällen
muss sich Ihr Unternehmen zur britischen Umsatzsteuer registrieren lassen und mit britischer Umsatzsteuer abrechnen.

f. Elektronische Leistungen an Privatkunden

Zu den elektronischen Leistungen gehören beispielsweise:
– Radio- und Fernsehübertragungsleistungen
– Telekommunikationsleistungen
– Webinare
– Bereitstellung von Websites oder Web-Hosting-Diensten
– Fernwartung von Programmen und Geräten
– elektronische Zurverfügungstellung von Software und Software-Updates
– elektronische Zurverfügungstellung von digitalen Bildern oder Text (z.B. Fotos, E-Books und andere digitale Dokumente)

Erbringt das deutsche Unternehmen solche Leistungen an Privatkunden im Vereinigten Königreich, sind sie dort auch steuerbar. Das deutsche Unternehmen muss sich zur britischen Umsatzsteuer registrieren und britische Umsatzsteuer abführen. Wichtig! Das sog. MOSS-Verfahren darf für elektronische Leistungen ab dem 1.1.2021 nicht mehr verwendet werden. Für ab dem 1.1.2021 auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen mit Privatleuten im Vereinigten Königreich müssen sich die betroffenen Unternehmen vor Ort steuerlich registrieren, sofern sie die von Großbritannien festgesetzten Bagatellgrenzen überschreiten. Insoweit wirkt sich der Brexit spürbar negativ aus.

g. Sonstige Leistungen an Privatkunden (sog. B2C-Regel)
Die B2C-Grundregel lautet: Umsatzsteuerrechtlich ist der Ort der Leistung dort, wo das leistende Unternehmen seinen Sitz hat, unabhängig von der Ansässigkeit des Privatkunden. In diesem Fall unterliegen die Leistungen grundsätzlich nicht der britischen Umsatzsteuer. Stattdessen ist die Leistung nach deutschem Umsatzsteuerrecht in Deutschland zu versteuern. Von der Grundregel gibt es aber eine Vielzahl von Ausnahmen! Dazu gehören etwa – wie oben dargestellt – Leistungen an Grundstücken, die „Use-and-Enjoyment“-Regelung, Vermietung von Transportmitteln, elektronisch erbrachte Leistungen und Leistungen in Zusammenhang mit Veranstaltungen. Zu steuerrechtlichen Problemen kann es bei Katalogleistungen nach § 3a Abs. 4 UStG kommen. Dazu gehören etwa Übersetzungs- und Beratungsdienstleistungen an britische Privatkunden. Nach
deutschem Verständnis sind diese Leistungen dort steuerbar, wo der Privatkunde ansässig ist. Die Leistungen sind damit nicht in Deutschland, sondern im Vereinigten Königreich steuerbar. Nach Auskunft der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer liegt nach britischem Umsatzsteuerrecht der Ort der Leistung aber dort, wo der Leistende ansässig ist – in unserem Fall damit in Deutschland. Bei solchen Leistungen könnte es also dazu kommen, dass die Leistung weder in Deutschland noch im Vereinigten Königreich steuerbar wäre. Wie diese Problematik gelöst wird, ist derzeit noch nicht absehbar.

2. Vorsteuervergütungsverfahren
Für Unternehmen, die im Vereinigten Königreich nicht umsatzsteuerpflichtig sind, dort aber Vorsteuern gezahlt haben, können sich diese Vorsteuern im sog. Vorsteuervergütungsverfahren beim Bundeszentralamt für Steuern erstatten lassen. Wichtig! Anträge auf Erstattung von Vorsteuern, die vor dem 1.1.2021 von einem im Inland ansässigen Unternehmer im Vereinigten Königreich gezahlt wurden, sind bis zum 31.3.2021 beim Bundezentralamt für Steuern zu stellen. Für den Vergütungszeitraum 2020 endet die Antragsfrist damit nicht am 30.9.2021, sondern sechs Monate früher! Die Vergütung von Vorsteuerbeträgen, die nach dem 31.12.2020 entstehen, sind grundsätzlich bei der Erstattungsbehörde des Vereinigten Königreichs nach den dort geltenden Regelungen für Unternehmen, die außerhalb des Vereinigten Königreichs ansässig sind, zu beantragen. Eine Ausnahme gilt hier für Nordirland im Hinblick auf Vorsteuern aus Warenbezügen: Erstattungsanträge sind insoweit an das Bundeszentralamt für Steuern zu richten (sofern der Händler nicht in Großbritannien umsatzsteuerpflichtig ist und im Rahmen der britischen Umsatzsteuererklärung die Vorsteuer geltend machen kann). Weitere Informationen hierzu gibt es auf der Homepage des Bundeszentralamts unter der Rubrik Unternehmen – Umsatzsteuer – Vorsteuervergütungsverfahren.

Angesichts der Komplexität des Themas haben wir uns auf die Grundzüge beschränkt. Wir sind uns bewusst, dass in der Praxis noch viele Details geklärt werden müssen. Unsere Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und sollen Ihnen lediglich einen ersten Einblick in die Problematik geben. Bitte sprechen Sie uns persönlich an, damit wir Ihre Fragen konkret beantworten können.