Waren nach GB senden

Welche Änderungen bei der Umsatzbesteuerung von Warensendungen nach Großbritannien und Nordirland bringt der Brexit mit sich?

  1. Braucht Ihr Unternehmen eine britische EORI-Nummer?

Grundsätzlich gilt: Wer im Vereinigten Königreich (England, Schottland, Wales und Nordirland) eine Einfuhr- oder Ausfuhranmeldung abgibt, muss eine britische EORI-Nummer (Economic Operators´ Registration and Identification number/Nummer zur Registrierung und Identifizierung von Wirtschaftsbeteiligten) beantragen. Diese Nummer ist notwendig, um Zollanmeldungen abgeben zu können. Sie gilt in der gesamten EU.

Die EORI-Nummer hatte in der Vergangenheit die deutsche Zollnummer EU-weit ersetzt. Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs ergeben sich ab 2021 folgende Änderungen:

– Britische EORI-Nummern aus der Zeit vor dem Brexit verlieren ihre Gültigkeit.

– EORI-Nummern, die in einem der Mitgliedstaaten erteilt wurden, verlieren im Vereinigten Königreich ihre Gültigkeit.

Leider habe die Briten den Namen EORI beibehalten, so dass es ab 2021 zwei verschiedene EORI-Nummern gibt. Das eine ist die EU-EORI (die wie bisher in allen Mitgliedstaaten gilt), das andere ist die britische GB-EORI.

Wann muss ein deutsches Unternehmen im Vereinigten Königreich eine Zollanmeldung abgeben? Das ist z.B. dann der Fall, wenn der deutsche Verkäufer DDP (Delivered Duty Paid) vereinbart hat und deshalb die Waren auf eigene Kosten und Gefahr bis zu einem Bestimmungsort im Importland liefern und dabei alle anfallenden Formalitäten erledigen sowie alle Kosten und Einfuhrabgaben tragen muss. Hat das deutsche Unternehmen keine Niederlassung im Vereinigten Königreich, benötigt es einen sog. Zollvertreter, der Zollanmeldungen bei der britischen Zollbehörde anmeldet.

Wann braucht ein deutsches Unternehmen keine GB-EORI? Das ist dann der Fall, wenn der Geschäftspartner in Vereinigten Königreich die Zollabwicklung übernimmt.

  1. Besteuerung des Warenverkehrs

Änderungen für grenzüberschreitende Warensendungen nach Großbritannien (England, Schottland und Wales) ergeben sich vor allem für Online-Händler und Online-Marktplätze.

  1. Benutzen Sie für Ihre Geschäfte in Großbritannien Online-Marktplätze?

Verwendet ein Unternehmen eine Website oder eine Mobiltelefon-App zur Abwicklung seines Warenverkaufs, wird es von den britischen Finanzbehörden als Online-Marktplatz (kurz OMP) eingestuft, wenn folgende Bedingungen alle erfüllt sind:

  • Das Unternehmen legt in irgendeiner Form die Bedingungen für Warenlieferung an den Kunden fest.
  • Es ist in irgendeiner Form an der Autorisierung/Abwicklung von Kundenzahlungen beteiligt.
  • Es ist in irgendeiner Weise an der Warenbestellung bzw. Warenlieferung beteiligt.

Ein Unternehmen wird nicht als OMP eingestuft, wenn es eine der folgenden Leistungen erbringt:

  • Abwicklung von Zahlungen im Zusammenhang mit der Warenlieferung oder
  • Auflistung der Waren bzw. Werbung dafür oder
  • Weiterleitung oder Vermittlung von Kunden an andere Websites/Mobiltelefon-Apps, auf denen Waren zum Verkauf angeboten werden, ohne dass das weiterleitende Unternehmen selbst in die nachfolgenden Umsätze eingebunden ist.

Ob Sie für Ihre Geschäfte OMPs benutzen, sollten Sie unbedingt klären. Bitte wenden Sie sich hierfür an einen Rechtsanwalt. Evtl. können auch die Berufsverbände bzw. entsprechende Interessensvertretungen hierzu Auskunft geben.

  1. Liefern Sie Waren direkt nach Großbritannien?

Waren werden direkt nach Großbritannien geliefert, wenn sie sich zum Zeitpunkt des Verkaufs außerhalb von Großbritannien befinden und später nach Großbritannien importiert werden. Die umsatzsteuerliche Behandlung hängt ab vom Wert der Sendung. Als Warengrenzwert wurden hier £ 135 festgelegt, was auch dem Grenzwert für die Zollbefreiung entspricht. Dieser Grenzwert basiert auf dem Netto-Verkaufspreis. Sind Transport- und Versicherungskosten nicht im Verkaufspreis inbegriffen und werden sie gesondert auf der Rechnung ausgewiesen, bleiben sie bei der Berechnung außen vor ebenso wie andere Steuern und Abgaben. Der Warengrenzwert gilt für den Gesamtwert der Sendung und nicht für die einzelnen Waren innerhalb der Sendung.

  • Überschreitet der Wert der Sendung £ 135 nicht und hat der Kunde keine britische Umsatzsteuernummer?

Für die Warensendung fällt keine britische Einfuhrumsatzsteuer an, sondern britische Umsatzsteuer wird zum Zeitpunkt des Verkaufs erhoben. Dies gilt auch für Kleinbetragssendungen bis £ 15, die nach der bisherigen Regelung als Import steuerbefreit waren.

Erforderlich sind Importanmeldungen und ordnungsgemäße Rechnungen mit britischer Umsatzsteuer. Wie diese Rechnungen aussehen müssen, hängt davon ab, wer Steuerschuldner ist. Dies wiederum hängt davon ab, ob die Lieferung durch einen OMP (siehe Punkt 1.a.) unterstützt wird:

  • Ist keine OMP beteiligt, schuldet das deutsche Unternehmen (Händler) die britische Umsatzsteuer. Unbedingt erforderlich ist hier eine britische Umsatzsteuerregistrierung; ist das Unternehmen nach den bisherigen Regelungen bereits zur britischen Umsatzsteuer registriert (z.B. bei Versandhandelsgeschäften), reicht dies in der Regel aus. Der Händler muss sicherstellen, dass der Warensendung eine Kopie der Umsatzsteuerrechnungen beigefügt ist oder von einem Zollagenten elektronisch hochgeladen wird.
  • Ist eine OMP beteiligt, gilt die OMP aus umsatzsteuerlicher Sicht als Lieferer und ist damit Steuerschuldner. In diesem Fall muss sich der deutsche Händler nicht zu britischen Umsatzsteuer registrieren lassen.

Die Regelungen gelten unabhängig davon, wo der Händler bzw. der OMP ansässig ist. Es kommt nur darauf an, dass sich die Waren zum Verkaufszeitpunkt außerhalb von Großbritannien befinden. Die Regelungen gelten nicht für verbrauchsteuerpflichtige Waren, Geschenke und bestimmte Leistungen aus Jersey und Guernsey.

  • Überschreitet der Wert der Sendung £ 135 nicht und hat der Kunde eine britische Umsatzsteuernummer?

Teilt der Kunde dem Händler bzw. dem OMP seine britische Umsatzsteuernummer mit, wird der Kunde Steuerschuldner (Reverse-Charge-Verfahren). Hier muss dann die Rechnung einen Hinweis auf das Reverse-Charge-Verfahren enthalten.

  • Überschreitet der Wert der Sendung die Grenze von £ 135?

Bei einem Warenwert von mehr als £ 135 fallen Einfuhrumsatzsteuer und ggf. Zölle an. Wer Steuerschuldner ist, hängt von den Vereinbarungen zwischen dem Händler und seinem Kunden ab. In der Regel schuldet der Kunde die Einfuhrumsatzsteuer/Zölle – für den Händler sind die Lieferungen nicht in Großbritannien steuerpflichtig. In der Regel führt er hier nur steuerfreie Exporte aus.

Etwas anderes gilt, wenn der Händler die Einfuhr anmeldet: dann schuldet er die Einfuhrumsatzsteuer/Zölle. Ist er zur britischen Umsatzsteuer registriert, kann er die Einfuhrumsatzsteuer in der britischen Umsatzsteuererklärung zusammen mit dem Vorsteuerabzug melden (Saldierung beider Positionen ähnlich dem Reverse-Charge-Verfahren). Die Lieferung selbst unterliegt der britischen Umsatzsteuer.

  1. Liefern Sie Waren, die zum Zeitpunkt des Verkaufs bereits nach Großbritannien importiert wurden und dort gelagert werden?

In diesem Fall gibt es keine £ 135-Grenze und der Händler muss sich zwingend zur britischen Umsatzsteuer registrieren lassen.

  • Ist keine OMP beteiligt?

Der Händler ist Steuerschuldner und muss den Umsatz mit britischer Umsatzsteuer abrechnen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Kunde eine britische Umsatzsteuernummer hat oder nicht.

  • Ist eine OMP beteiligt und hat der Kunde eine britische Umsatzsteuernummer?

Der Händler ist Steuerschuldner und muss den Umsatz mit britischer Umsatzsteuer abrechnen. Dazu muss der OMP dem Händler die britische Umsatzsteuernummer des Kunden mitteilen.

  • Ist eine OMP beteiligt und hat der Kunde keine britische Umsatzsteuernummer?

Beim Warenverkauf ist der OMP Steuerschuldner, d.h. er versteuert die Lieferung an den britischen Kunden und führt die britische Umsatzsteuer ab. Der Händler erklärt im Zeitpunkt des Verkaufs einen fiktiven Umsatz an den OMP, der dem Nullprozentsteuersatz unterliegt. Diesen Nullprozentumsatz muss der Händler in seiner britischen Umsatzsteuererklärung erfassen.

Beim Import der Ware, der zeitlich vor dem Verkauf erfolgt ist, muss der Händler die Einfuhrumsatzsteuer in der britischen Umsatzsteuererklärung zusammen mit dem Vorsteuerabzug melden.

  1. Liefern Sie Waren nach Nordirland?

Nordirland bleibt weiterhin im Geltungsbereich des europäischen Umsatzsteuerrechts. Werden Waren aus der EU nach Nordirland an Kunden geliefert, die dort zur Umsatzsteuer registriert sind, liegt in der Regel eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vor. Bei Lieferungen aus Nicht-EU-Ländern bzw. an Kunden ohne britische Umsatzsteuernummer gelten besondere Regelungen. Sollten Sie dazu Fragen habe, bitten wir Sie, sich persönlich mit uns in Verbindung zu setzen.

Wie Sie inzwischen bemerkt haben, stellen sich im Zusammenhang mit der Umsatzbesteuerung von Warenlieferungen sehr viele Fragen. Unsere Ausführungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.